Von 1630/37 bis 1713/20 in Sequestrierung war Stettin in schwedischer Hand. Als Sitz der schwedischen Provinzialverwaltung und wichtige Festung, die den nördlichsten Oderübergang sicherte, wurde sie in den Kriegen der schwedischen Großmachtzeit mehrmals belagert. 1659 widerstand sie den Belagerern, aber 1677 während des Schwedisch-Brandenburgischen Krieges eroberte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg die Stadt, musste sie aber wieder abgeben. Zur Vertiefung der geschichtlichen Hintergründe dieses Zeitraumes 1713 bis 1720, folgen einige Information aus dem 1911 erschienenen Werk von Martin Wehrmann “Geschichte der Stadt Stettin” und die erklären, welchen Druck und Einfluß Friedrich Wilhelm I. König von Preussen schon früh auf die Stettiner Verwaltung ausgeübt hatte und wie willfährig die Schweden diesem gegenüber waren, bloß damit Stettin nicht den Russen in die Hände fallen möge und das mag auch manche andere Verwaltungsentscheidung der Stadtoberen schon vor dem Stockholmer Frieden (1720) betroffen haben.
Kriegsereignisse und Übergang an Preussen: Im August marschierten Russen, Polen, Sachsen Dänen von verschiedenen Seiten in Pommern ein. Aber infolge Mangels ab Lebensmitteln und der vorgerückten Jahreszeit kam es noch nicht zu kriegerischen Operationen, das feindliche Heer bezog bald die Winterquartiere. Die Russen hielten aber Gartz besetzt und beobachteten von dort aus Stettin. Im Mai des folgenden Jahres 1712 rückten die Truppen gegen die Stadt vor. Der Ober-befehlshaber Fürst Menzikoff erschien selbst, lies aber zunächst Stettin nur in weiterem Umkreise einschließen, während der Kampf um Stralsund und Rügen entbrannte. Als die Verbündeten dort Unglück hatten, wurden die vor Stettin liegenden sächsischen und russischen Truppen abgerufen. Aber schon lange verfolgte man von Berlin aus die Vorgänge mit großer Aufmerksamkeit, und die preussische Regierung machte den Versuch, zwischen den kriegsführenden Mächten zu vermitteln. Sie verhandelten mit Menzikoff und dem schwedischen Bevollmächtigten Grafen Welling, doch der Vorschlag, Stettin an Preussen zur Verwahrung zu übergeben, fand bei beiden keinen Beifall. Die Russen zogen sich vielmehr enger um die Stadt zusammen. So wurde die Besorgnis des Königs Friedrich I. von Preussen, Stettin werde in der Gewalt der Russen fallen und Zar Peter „den Fuß auf Preußens Kehle setzen“ immer größer. Deshalb versuchte er noch Karl XII. durch den nach Bender gesandten Oberst Cosander zur Übergabe der Oderfestung zu bewegen, es war aber vergebens. In Stettin seinen damals Stimmen laut geworden zu sein, man müsse in Stettin unter dem Schutz Preußen gehen, ohne und gegen den Willen des schwedischen Königs, nur um nicht in der Gewalt der Muskowiter zu fallen.
Die Hoffnung auf eine friedliche Übergabe Stettins wuchs, als infolge der verzweifelten Lage Schwedens im Mai 1713 die Minister und der Graf Welling, der nach dem Tode des Grafen Mellin (12.01.1713) zum Generalgouverneur von Pommern ernannt wurde, in Verhandlungen mit dem jungen preußischen König Friedrich Wilhelm I. traten. In diese griff besonders der holsteinische Minister Freiherr von Görtz ein, da er das Bestreben hatte, für seinen Herrn, den Herzog Karl Friedrich von Gottorf/Gottorp, den vermutlichen erben der Schwedenkrone, noch zu retten, was möglich war. Er schlug vor, Preußen solle gemeinsam mit Holstein Stettin und Wismar unter dem Namen eines Sequesters (d.h. vorläufige Verwaltung) besetzen und so diese Orte und das übrige schwedische Pommern schützen. Dieser Vorschlag wurde angenommen, und der Graf Welling erklärte sich damit einverstanden. Im geheimen war abgemacht worden, daß, wenn der Herzog von Holstein in Schweden succedieren würde, „Stettin samt dem Peenestrom und allem, was zwischen diesem und der See belegen sei“, für immer an Preußen fallen solle. Als auch Menzikoff sich bereit erklärte, die Ausführung des Vertrages nicht zu hindern, eilte der holsteinische Minister von Bassewitz nach Stettin, um von dem Kommandanten, dem General Johann August von Meyerfeldt, die Übergabe der Festung an Preußen und Holstein zu verlangen. Aber der weigerte sich. Damit ar der Vertrag hinfällig und Russen und Sachsen begannen die Festung Stettin zu belagern. Nach heftiger Beschießung gab Meyerfeldt nach und am 29.September gab der sein Einverständnis zu dem von Bassewitz vorgelegten Vertrage. „Ich überlasse die fernere Fürsorge dem Herzoge von Gottorp, um sich mit einer neutralen Puissance nunmehr in Stettin festzusetzen“. Bassewitz beeilte sich, sofort in der Stadt festen Fuß zu fassen, übernahm das Kommando, ließ zwei schwedische Bataillone in holsteinischen Dienst treten und die anderen Truppen am 2. Oktober aus der Festung rücken. Für Preußen galt es, schnell zu handeln, um sich nicht, wie es Bassewitz wünschte, bei der Einnahme Stettins ganz ausschalten zu lassen. Schippenbach verhandelte mit Menzikoff, König Friedrich Wilhelm eilte selbst herbei und brachte dann am 6. Oktober in Schwedt den sogenannten Hauptrezeß zustande. In ihm wurde Stettin von den nordischen Alliierten an Preußen „zur Possession und Sequestration“ bis zum Frieden mit Schweden übergeben. Der preussische König versprach weiterhin neutral zu bleiben, erhielt aber die Zusage, wenn Schweden wegen dieses Vertrages Preußen feindlich angreifen würde, mit ihrer ganzen Macht beistehen wollten. Sofort am 6. Oktober rückten 1600 Preussen unter dem Oberbefehl des Generals von Borke in Stettin ein. Der König erschien selbst in der Stadt, während die Russen und Sachsen abmarschierten.
1714 lagen zwei Besatzer in der Stadt, die holsteinischen und preussischen Truppen und der Rat der Stadt wusste nicht, wie er sich verhalten sollte und behielt den status quo bei, d. h. war an das schwedische Königshaus gebunden. Die Einquartierungen waren so hoch, weil Preussen weiteres Militär in die Garnison Stettin befahl, sodaß der Rat der Stadt versuchte bei der Königin Ulrike Elenore um Erlaß der Abgaben nachsuchte, die aber abgelehnt wurde. Eine Lotterie zum Besten der Stadt kam nicht zustande. Im Oktober kann der preussische König zu einer Revue nach Stettin und stellte bei dieser Gelegenheit die Forderung, der Rat der Stadt sole die Schlüssel der Festung ausliefern. Der Magistrat mach zwar Schwierigkeiten, alleine die Preussen glaubten, daß man leicht Mittel finden könne, sich derselben zu bemächtigen.
Am 22. November 1714 langte König Karl XII. nach Abenteuerlichen Ritt in Stralsund an, in Stettin sollen die Schweden auf diese Nachricht hiervon ein Dankesfest gefeiert haben. Bald nach seiner Ankunft schrieb der König an Friedrich Wilhelm und forderte die Räumung Stettins und des übrigen besetzten Gebietes. Als Graf Schlippenbach nach Stralsund kam, um im Namen der preussischen Königs die Beweggründe der Sequestration klarzulegen, blieb Karl bei seiner Forderung und wollte auch auf eine Rückzahlung der Kosten nur teilweise eingehen.
Da erkannte Preußen, daß ein Krieg unvermeidlich sein werde, und die Garnison der Stadt wurde in den ersten Monaten 1715 erheblich verstärkt, so daß dort 4566 preussische Soldaten neben 1122 Holsteiner lagen. Die weiteren Verhandlungen. In dem Karl wenigstens etwas entgegen kam, verliefen trotzdem erfolglos, da die Verbündeten offen erklärten, Stettin und das Land bis zur Peene könne man vor dem Frieden nicht räumen.
Die Preußen machten sich inzwischen immer mehr zu Herren der Stadt, General von Borcke nahm die Schlüssel zum Zeughaus und zu den Pulvertürmen in Verwahrung und erhielt vom preussischen König den Auftrag, die holsteinische Garnison aus der Stadt zu entfernen, jedoch ohne Gewalt.
Relativ leicht gelang es ihm am 27. April, das holsteinische Regiment des Generalmajors Horn zu Niederlegung der Waffen zu bringen und vor die Tore zu führen. Die Holsteiner und Schweden freundlich gesinnten Bürger hatte er durch Androhung strenger Strafen abgeschreckt, sich irgendwie zu rühren und gezwungen, alle Waffen abzuliefern. Zugleich wurde die schwedische Regierung aufgehoben und sämmtliche Beamten befohlen, binnen 48 Stunden die Stadt zu verlassen.
Die Verwaltung des sequestrierten Gebietes übernahm die preussische Regierung in Stargard.
Der Krieg gegen Schweden begann, aber berührte Stettin nur indirekt.
Durch das königliche Patent vom 24. Mai 1715 wurde die Interims- Administration der sequestrierten, vorpommerschen Lande angeordnet. Alle die sich weigerten das von den Kanzeln zu verlesen, wurden aus den Ämtern entfernt und durch preussische Beamte ersetzt.
Im Mai 1716 hatte der preussische König eine Zusammenkunft mit dem Zar Peter. Damals mag auch eine Aussprache über das Schicksal Vorpommern erfolgt sein, und Friedrich Wilhelm entschloss sich, das ihm zunächst nur vorläufig überlassene Land dadurch fester an sich zu fesseln, daß er von den Eingesessenen ein Treuegelöbnis forderte.
Schon am 29. September 1716 befahl er dem General von Borcke und dem Geheimen Rat von Massow der kurz vorher zum Präsidenten aller in Hinterpommern und in dem sequestrierten Distrikte Vorpommerns befindlichen Kollegien ernannt worden war, von den Bewohnern der Stadt Stettin und des umliegenden Gebetes dies Gelöbnis entgegen zu nehmen. Durch das Patent vom 14. Januar 1717 wurden die Stände und Deputierten zu diesem actus solemnis auf den 25. Februar 1717 nach Stettin geladen. Seitdem König Friedrich Wilhelm feierlich als die alleinige höchste Obrigkeit anerkannt worden war, begann er in reger Fürsorge für das Land tätig zu sein. Durch ein Erlaß vom 17. Mai wurde vorläufig eine Ordnung für die Ratswahlen erlassen, nachdem schon vorher eine Kommission, die aus dem General von Borcke, dem Geheimen Rat von Laurens und dem Kriegsrat Winkelmann bestand, zur Untersuchung der städtischen Verwaltung eingesetzt worden war.
Die vorläufige Besitznahme fand bald ein Ende, als nach dem Tode Karl XII. der die Sequestration nie anerkannt hatte, Schweden sich dazu entschloß, mit Preußen in Verhandlungen zu treten.
Bereits im August 1719 wurden die Präliminarien (Vorverhandlungen bzw. die Abmachungen) unterzeichnet, und am 1. Januar 1720 kam der Friede zu Stockholm zustande.
Die Königin Ulrike Elenore trat an Friedrich Wilhelm „in perpetuum die Stadt Stettin und dem dazu gelegten ganzen Distrikt Landes zwischen der Oder und Peenestrom nebst den Inseln Wollin und Usedom samt den Ausflüssen der Swine und Divenow, dem Haff und der Oder“ ab.
Der König zahlte 2 Millionen Thaler.
Durch Erlaß vom 30. Januar 1720 entließ die Königin von Schweden die Bewohner dieses Gebietes ihrer Pflicht gegen Schweden und verwies sie an den König von Preußen. Dieser ergriff durch das Patent vom 29. Mai 1720 Besitz von dem Lande und erinnerte die Eingesessenen an den bereits 1717 geleisteten Handschlag.
Das Stempelpapier aus der Zeit der Zwangsverwaltung durch Preussen von 1713 bis 1720
So ist dieses vorgedrucktes preussische Stempelpapier und mit Angabe der Stadt „Stettin“ als Ausstellungsort im Jahre 1717 verwendet worden, sogleich nach dem Treueeid der Stadt per Handschlag. Und alle die, die sich nicht dem preussischen König unterwerfen wollten, wurde aus der Stadt getrieben.
Transcript:
Zuwissen, das heut unterschriebenen dato um 11 Uhr, dem Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich Wilhelm König in Preussen, Markgrafen zu Brandenburg, des Heil, Römischen Reichs Ertz= Kämmerern und Churfürsten/ Souverainen Printzen von Oranien, Neufchatel und Vallengin; zu Magdeburg, Cleve, Jülich, Berge, Stettin, Pommern, der Cassuben und Wenden, zu Mecklenburg, auch in Schlesien zu Crossen Hertzogen. p.p.p.
Unserm allergnädigsten Könige und Herrn p. Ihro Königlichen Majestät Lehnmann und
Gesambthänder an Lüskow, Obristlieutenant Michel Heinrich von Brockhusen, durch Major Matthias von Lepell- allhier zu Stettin den schuldigen Lehn= Eyd geschworen, und in Allerhöchstgedachter Ihro Königl. Majest. Nahmen durch Königl: Geheimbten= Rath und Cantzler Tit. Matthias Döring von Somnitz in Gegenwart der Königl. Commission mit gebührenden Solennitaeten ihm seine Lehne alsofort verliehen worden; Deßwegen ihm auf sein Anhalten dieser Schein mitgetheilt wird, Signatum Stettin, den 16 Aprilis 1717
(Unterschriften):
- D. v. Somnitz M. Lauren(s?)
Cantzler Regierungsrath
und …………..
Aber die Hauptperson, der Kanzler der vorpommerschen Regierung ist wenigstens klar: Somnitz. Dieser wurde 1706 zum Geheimrat und Kanzler von Pommern ernannt, saß auf Drenow und Broitz und war auch Amtshauptmann und Burgrichter zu Neustettin.
Quelle: Martin Wehrmann “Geschichte der Stadt Stettin“ sowie Dokument von Wolfgang Morscheck Bad Säckingen und Gunter Wagner Filderstadt